Unternehmer und Kommunalpolitiker mit Wagemut und Gemeinsinn

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Ecken und Kanten zu haben, Visionen zu entwickeln – und auch umzusetzen, eine klare Sprache zu pflegen statt sich in wachsweiche Opportunität zu flüchten, Worten auch Taten folgen zu lassen, mithin Wagemut zu beweisen, sich dem Gemeinsinn verpflichtet zu fühlen statt in konspirativer Heimlichkeit eigene Pfründe zu hegen: In Otto Glas ist eine Persönlichkeit gestorben, die all diese positiven Eigenschaften auf sich vereint hat.

Der Eggenfeldener Unternehmer – Gründer und über Jahrzehnte Antriebsstrang der auf Technischen Großhandel spezialisierten Firmengruppe “goGlas” – ist am vergangenen Sonntag im Alter von 90 Jahren an seinem Altersruhesitz Rottach-Egern gestorben. Wiewohl gesegnet mit Lebenszeit, kam der Tod überraschen: für seine Söhne Dieter und Peter, ebenso für all jene, die ihn zu schätzen wussten – nicht zuletzt aufgrund seines Eintretens als Kommunalpolitiker für die Stadt Eggenfelden, für den Landkreis Rottal-Inn und für die Belange des Mittelstands in Niederbayern und darüber hinaus.

Otto Glas, 1932 in Landshut geboren, ist das Unternehmertum nicht in die Wiege gelegt worden. 1955, im Morgenrot der legendären Wirtschaftswunderzeit, hat er als Mitarbeiter eines mit dem Weltkonzern FAG Kugelfischer kooperierenden Betriebs blutjung den Sprung gewagt ins kalte Wasser des eigenverantwortlichen Unternehmertums. Mit immensem, mit nachhaltigem Erfolg, wie der Blick in die Firmenhistorie verdeutlicht.

Der Insidertipp aus dem beruflichen Umfeld, er möge doch sein Glück als Selbstständiger in Eggenfelden versuchen, weil es dort “einen weißen Fleck bei Kugellagern” gebe, er hatte goldenen Boden. 2023, im 68. Jahr des Bestehens, beschäftigt “goGlas” 220 Mitarbeiter in insgesamt sieben Standorten in Niederbayern, Oberbayern und Österreich, versorgt in ganz Südostbayern bis hinauf in die südliche Oberpfalz und in den Grenzregionen des Nachbarlandes Werkstätten, generell die Mobilitäsbranche und den technischen Dienstleistungssektor mit allem, was Fahrzeuge, Gerätschaften und Maschinen am Laufen hält – banal ausgedrückt von der Beilagscheibe über Bremsbeläge bis zu Kugellagern und Hydraulik.

Ein kleines Ladenlokal an der Ecke Landshuter Straße/Mühlweg, es existiert mit anderer Nutzung noch heute, ist im Juli 1955 die Keimzelle der Aufbauleistung von Otto Glas. Korrekter Kaufmann durch und durch, weist er in der Eröffnungsbilanz seines Handels als Hauptaktivposten ein Fahrrad im Wert von 100 Mark und ein Eigenkapital von 1200 Mark aus. Ab 1962 werden die Gesamt-Aktivitäten von “goGlas” vom Immer-noch-Stammsitz Schellenbruckstraße aus gesteuert, über die 1997 eröffnete Dependance Mitterhof wird der komplette Kfz-Ersatzteilhandel abgewickelt.

30 Jahre lang im Eggenfeldener Stadtrat

Übrigens: Fürs Gründungsjahr 1955 hatte sich Otto Glas – ganz der wagemutige Gründer – gleich ein Triple in den Business-Plan geschrieben: neben der beruflichen Eigenständigkeit die Hochzeit mit Gertrud “Gerti” Krempasky aus der Hallertau und die Geburt von Sohn Dieter.

Der frühe Abschied von Partnerin Gerti im Jahr 2015 hat Otto Glas schwer getroffen. Um ihr in Gedanken nahe zu sein, hat er ein paar Jahre später seinen Wohnsitz an den Tegernsee verlegt – dorthin, wo er mit seiner Frau im Laufe der sechs gemeinsamen Jahrzehnte viele schöne Tage verbracht hat, dorthin, wo er nun auch gestorben ist. Irgendwie, so möchte man meinen, hat sich damit der Kreis geschlossen.

In Sohn Dieter und dem 1960 geborenen Peter, Letzterer seines Zeichens Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Niederbayern, hatte Otto Glas Zeit seines langen Lebens verlässliche Aktivposten. Beide treten in den 80er Jahren in die Fußstapfen des Vaters, entwickeln das Unternehmen in seinem Simme und zu seinem Wohlgefallen weiter auf einem alles andere als einfachen Markt.

Geschäftlich immer höher, immer weiter, immer globaler, für Otto Glas ist das allein augenscheinlich nicht das ganze Lebensmodell. Er unternimmt zahlreiche Fernreisen, vor allem Brasilien hat es ihm angetan. Das Allgemeinwohl im Blick, ist ihm die Sicherhiet auf Straßen und Wegen ein Herzensanliegen. Lange Jahre hat er den Vorsitz der örtlichen Verkehrswacht inne, der Bau des Radler-Übungsparcours für Kinder an der Birkenalle geht auf seine Initiative zurück.

Auch als CSU-Mandatsträger engagiert sich Otto Glas mit ganzer Kraft im öffentlichen Leben: 30 Jahre als Stadtrat, zwölf Jahre im Kreistag, als gewichtige Stimme der CSU-Fraktion im Stadtrat, als – letztlich unterlegener – Bürgermeisterkandidat, als nimmermüder Trommler für die Interessen der niederbayerischen Mittelstandsunion, die ihm, so erinnert sich Sohn Peter, zum “Steckenpferd” abseits des fordernden Tagesgeschäfts erwachsen ist.

Wo und wofür auch immer Otto Glas seine Stimme erhoben hat, ist sie gehört worden, über Parteigrenzen hinweg und uneingedenk persönlicher Befindlichkeiten. Weil er eine klare, aber bei allen Ecken und Kanten nie verletzende Sprache gepflegt hat, weil er stets eben nicht persönliche Pfründe, sondern das große gemeinsame Ganze im Blick hatte, weil er nicht in kleinkarierte Rechthaberei nur um des bloßen Rechtbekommens verfallen ist. Weil er ein Mensch mit Gemeinsinn, eine Persönlichkeit mit Charakter gewesen ist.

(C) 2023 PNP – Ulrich Berger